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Lateinamerikanische Tänze – Lead & Follow

Spiel, Flirt, Romantik, Zuneigung, Abweisung, Rivalität, Nähe und Distanz

· Social Dancing,Konzepte

Typisch für die Lateinamerikanischen Tänze Rumba, Cha Cha Cha, Samba und mit gewissen Einschrän-kungen für Paso Doble und Jive ist die Bewegungsart, also die Bewegung im Körper, die durch eine weite Tanzhaltung von außen leicht erkannt werden kann. Die verschiedenen Körperteile bewegen sich dabei getrennt voneinander. Typisch für das Bewegungsbild sind schnelle Drehungen, ganz unterschiedliche Dynamiken und die Wechsel zwischen ruhigen und treibenden Bewegungsphasen. Hüftbewegungen und Schritte, die auf dem Fußballen angesetzt werden sind markante Kennzeichen.

Faszinierend anzusehen an dieser Art zu tanzen: die Partner tanzen wirklich miteinander, denn die Latein-tänze beschreiben je nach Rhythmus charakteristisch eine ganz spezifische Art der Kommunikation und Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau und thematisieren die Beziehung der beiden Partner auf unterschiedliche Art und Weise.

Im Gegensatz zu den Standardtänzen, die ein gemeinsames, harmonisches Bewegungsbild in enger Tanzhaltung auszeichnet, können und sollen die Partner bei den Lateintänzen durch die generell eher weite, häufig komplett aufgelöste Tanzhaltung ihre eigene Rolle ausdrücklich spielen. Zentrales Thema ist stets das Spiel und der Flirt miteinander, bei dem eine Entscheidung definitiv noch nicht gefallen ist.

Führen und Folgen?

Wenn wir Menschen beobachten, die anderen „helfen“ sei es ein Hindernis zu überwinden, ein Kind an der Hand führen oder jemanden stützen der sich nicht wohl fühlt, dann beobachten wir aktives Führen ohne dass wir das als solches zunächst so bezeichnen würden. Sicher würden wir selber das gar nicht bewusst als Fähigkeit erkennen „aktiv führen“ zu können. Tun wir das so spontan und intuitiv, machen wir genau genommen alles so wie es ideal ist: den anderen Menschen sanft, fürsorglich anfassen, sicher und doch kraftvoll stützen, Richtung und auch Tempo der Bewegung dabei vorgeben und sich gleichermaßen an das Bewegungstempo bzw. der Bewegungsfähigkeit des anderen anpassen und diesen so sicher geleiten.

Und in den Lateinamerikanischen Tänzen?

Führen und im Umkehrschluss Folgen im Tanzen generell, hier jedoch mit Blick auf Latein, bedeutet neben dem Wissen um eine gute und geeignete Körperhaltung – auf die ich zu einem anderen Zeitpunkt zurückkomme - den eigenen Körperschwerpunkt – Balance – und die jeweils stabilen körperlichen Kontaktflächen genau zu kennen, bewusst einzusetzen und gezielt zu nutzen. Das bedeutet, dass beide Partner jeweils Impulse einerseits setzen, andererseits aufnehmen und mit dem eigenen Körper richtig umsetzen. Beide Partner agieren und reagieren also kontinuierlich mit- und aufeinander. Um genau diese Kommunikation so zu führen braucht es Vertrauen auf beiden Seiten. Vertrauen will jedoch gelernt und erworben werden – es braucht also Zeit und einfühlsame Nachsicht mit sich selber und dem Partner. Führen und Folgen – speziell bei den Lateinamerikanischen Tänzen - will verinnerlicht sein. Die gängige Meinung sagt: die Herrenposition, ab jetzt Lead oder Leadposition, führt „immer“, die Damenposition, ab jetzt Follower oder Followerposition, folgt „immer“. Nun ja – wenn sich jedoch Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die der anderen aufbauen soll, dann sollte das am besten wechselseitig ausprobiert werden. So kann jeder sehen, fühlen und führen was die jeweils andere Position wirklich braucht um gleichberechtigter Partner zu sein. Dann kommt auch die Erkenntnis dass nicht immer nur einer führt und der andere folgt, sondern auch das dies ein ständiges Wechselspiel ist und aus diesem Wechselspiel das bewegte Erzählen einer Geschichte zu Musik. So lernen sich Beide kennen und gleichzeitig Harmonie im Paar aufzubauen.

Die führende Position setzt sich ganzheitlich beim Führen ein und arbeitet mit Händen, Armen, dem ganzen Körper eben - was gleichermaßen für die Followerposition gilt. Damit Signale gesendet und aufgenommen werden können, halten beide Partner eine gewisse Körperspannung – also leichte Opposition – im Paar aufrecht. Diese wohltuende Opposition ergibt sich aus leichtem wohl dosiertem Zug – als wollte man sich auseinander bewegen – bzw. aus leichtem Druck – als wollte man sich aufeinander zubewegen. Wesentlich dabei ist: keiner von Beiden klammert, stützt sich auf dem anderen ab, zieht oder drückt den anderen in eine gewünschte Richtung. Jeder behält seine eigene Balance und ist für seinen eigenen inneren Kreis und dessen Aufrechterhaltung zuständig und dafür die Signale selber explizit zu setzen und die des anderen sensibel, aktiv aufzunehmen. Jeder ist dafür verantwortlich seinen eigenen Anteil an Zug und Druck in wohldosierter, fühlbarer jedoch nicht dominierender Form kontinuierlich aufrecht zu erhalten.

Differenziertes Führen – Reflektiertes Folgen

Wie soll das jetzt jedoch in Lateintänzen gehen, mit wesentlich weniger „Tuchfühlung“ als bei den Standardtänzen. Nun, tatsächlich zeigt sich Führen und Folgen im Latein etwas differenzierter, alleine schon weil die beiden Partner im Paar nicht so auf "Tuchfühlung " gehen, statt dessen immer etwas Abstand zwischen ihnen ist.

Schauen wir uns die unterschiedlichen Formen des Lead und daraus folgend des Follow einmal an:

 Allowing Lead – Führen durch Erlauben:

Lead hält konkret und klar erkennbar Kontakt zum Follower über den Arm und die Hand, jedoch so dass die Followerposition sich gestaltend bewegen – also atmen kann

Beispiel: alle gecheckten Vorwärtsschritte des Leads und der Rückwärtsschritt des Followers aus Rumba und Cha Cha Cha und umgekehrt wie z.B. Basics, Half Basics und aller daran angeknüpften Varianten

Physical Lead - Physisch Führen:

Lead führt physisch Anfang und Ende der Figur und bestimmt das Tempo, die körperliche Bewegunsgeschwindigkeit des Followers und stoppt diesen auch ab

Dafür sind viel Sicherheit und Eindeutigkeit erforderlich und natürlich soll dabei Ausdruckskraft und Gefühl nicht zu kurz kommen

  • Beispiele: Open/Hip Twist, Separations, Whips, Cross Body, Stationary Walks, generelle Richtungswechsel zwischen zwei Figuren, ebenso Advanced Figuren aus Rumba, Cha Cha Cha, Samba, Paso Doble

Shaping Lead - Führen über die Körperposition:

Lead zeigt über die entsprechende Bewegung, also einer Haltungsveränderung in seinem Oberkörper – Frame – eine Einladung zu einem Richtungswechsel oder einer Figur für den Follower an.

  • Ein sprechendes Beispiel: Der Lead hebt den Arm, ändert die Handhaltung und streckt den Ober-körper. Das ist das Signal für den Follower sich unter seinem Arm zu drehen

Einen Platz-/Richtungswechsel zeigt der Lead so an und führt diesen in Rumba, Cha Cha Cha und Jive ebenso wie die Unterarm Drehungen über seine Körperposition

Wer kennt das nicht, sei es aus eigener Erfahrung oder durch Beobachtung: der Follower reagiert aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht auf das Angebot, prompt wechselt der Lead dann in einer aus seiner Situation angemessen erscheinenden Mischung zwischen Shaping und Physical Lead um sein Vorhaben zu „retten“. Das sieht von außen gar nicht schön aus, fühlt sich für beide unangenehm an und erzeugt eine noch unangenehmere Anspannung im Paar.

Auch hier gilt also erkenn- und fühlbar: dass Followprinzip ist alles andere als passiv im Tanzen.

Visual Lead - Führen und Folgen durch Beobachtung:

Visual Leads kommen immer dann zum Zug, wenn die Partner nicht im Paar tanzen, sich also nicht berühren. Beide Positionen müssen dann einander genau beobachten um jeweils führen und folgen zu können, wobei die Leadposition das Thema setzt

Diese Art des Führens verlangt viel tänzerisches Verständnis und Können und einen sehr eingespielten Teamgeist. Im Turniersport wird man diese Form definitiv häufiger sehen als im Breitensport Tanz.

Fazit

Lateinamerikanische Tänze – Kommunikation ohne Worte oder von einer anderen Perspektive betrachtet: Ausdruck des weiten Feldes an Emotionen zwischen zwei Menschen im Tanz von Romantik, Sinnlichkeit, Zuneigung bis Rivalität, Strenge, Zurückweisung. All das wird in den lateinamerikanischen Tänzen Rumba, Cha Cha Cha, Samba durch Körper, Bewegung, Gestik, Mimik, Führen und Folgen ausgedrückt. Dabei haben beide Partner eine eigene Rolle, die sie im Wechselspiel ausprägen und gestalten. Je besser die Grundlage von Führen und Folgen um so harmonischer zeigt sich das Zusammenspiel im Paar bzw. der beiden Protagonisten. Je weniger gut das ausgeprägt ist um so eher sieht es von außen betrachtet erkennbar so aus als tanze jeder irgendetwas für sich alleine.